Vertreibungsdiskurs und europäische Erinnerungskultur
Eine Dokumentation
Veröffentlichungen der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband e.V. 11
263 S.
ISBN 978-3-938400-17-3
R e s t e x e m p l a r
Zwischen 1991 und 1995 fanden während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien zahlreiche politisch motivierte Zwangsmigrationen, so genannte »ethnische Säuberungen« statt. Sie haben im kollektiven Gedächtnis Europas die Erinnerung an den Holocaust und andere Genozide sowie vor allem an die gigantischen erzwungenen Bevölkerungsverschiebungen in Mittel- und Osteuropa 1912–1922 und 1939–1949 geweckt.
Das neue europäische Interesse am Thema Vertreibung manifestierte sich im politischen Raum auf unterschiedliche Weise: 1999 initiierte der Bund der Vertriebenen das Projekt eines primär nationalen»Zentrums gegen Vertreibungen«, 2002 empfahl der Deutsche Bundestag die Bildung eines »Europäischen Zentrums gegen Vertreibungen« und 2004 regten sowohl die Parlamentarische Versammlung des Europarats wie die Kulturminister der Visegrád-Staatengruppe, Deutschlands und Österreichs die Gründung einer europäischen Einrichtung zur Beschäftigung mit dem Thema Zwangsmigration in Zentraleuropa im 20. Jahrhundert an. Treibende Kraft der beiden letztgenannten Initiativen waren dabei Polen und Deutschland. Während die Entscheidung über ein »Europäisches Zentrums der Erinnerung an Opfer erzwungener Bevölkerungsbewegungen und ethnischer Säuberung« des Europarats im Herbst 2006 fallen soll, ist das von Polen, Deutschland, der Slowakei und Ungarn unter temporärer bzw. partieller Mitwirkung der Tschechischen Republik und Österreichs konzipierte »Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität« im Sommer 2005 formell gegründet worden.
Die vorliegende Dokumentation zeigt die Entwicklung dieser parallelen Initiativen, beleuchtet aber auch die »Werkstatt« der Gedenk- und Jubiläumskultur, in der Geschichtspolitiker der Regierungen und Parlamente – bisweilen unter Mithilfe von Historikern – erste Elemente einer künftigen europäischen Erinnerungskultur aushandeln. Neben rund 60 offiziellen und halbamtlichen Quellen enthält der Band auch Hintergrundberichte des Herausgebers sowie eine aktuelle Auswahlbibliographie.
STEFAN TROEBST, geb. 1955, Osteuropahistoriker und Slavist, ist Professor für Kulturstudien Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig und stellvertretender Direktor des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) in Leipzig. 2004 fungierte er als Berater der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Christina Weiss, sowie des Komitees für Migration, Flüchtlinge und Bevölkerung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.